Farbhandlungen

 

Malerei als ontologische Übung

 

Malerei ist die Untersuchung der Zusammengehörigkeit bzw. des Auseinaderfallens "innerer" und "äußerer" Bilder. Zwangsläufig geht es um ambivalente Erprobungen von Wahrheit und Wirklichkeit. Es geht um ontologische Übungen.

 

Als Selbstreflexion ist Malerei geeignet, um

1. Die Die Vor- und Im-Prozess-Bedingungen zu erleben und

2. Die Nach-Bedingungen zu untersuchen.

 

Was ist an, mit und in einem Malereibild zu sehen, was es sonst nicht zu sehen gibt? Was ist an, mit und in einem Malereibild zu denken, was sonst nicht denkbar ist? Was ist an, mit und in einem Malereibild zu empfinden, zu fühlen, was sonst nicht zu empfinden, zu fühlen ist?

 

Was ist davon vor, während und nach dem Malprozess neu, überraschend, weltoffen? Was ist bekannt, langweilig und verschlossen?

 

Die ontologische Übung ist eine notwendige von innen beförderte Tätigkeit der Selbstanbindung über Bilder. Malerei geht nur durch Berührung. Die Kontaktaufnahme (mit der Welt) ist die Berührung des Bildträgers mit Farbe. Die Vorsicht, das Tasten, der Versuch wird zum Bild. Was liegt alles davor?

 

Malereibilder sind also Übergangsobjekte, die Anwesenheit erschaffen, die vorher nicht da war. Sie schaffen einen Raum der Begegnung mit was? Mit dem Bedürfnis vertieften Seins.....diese Zirkularität ist aber nur die erste Ebene. denn daraus erwächst eine Phänomenologie des Hier und Jetzt. Dann ist die ontologische Übung geglückt. Malerei-Bilder als ontologische Übungen schaffen vermittelnde Optionen für die Entfremdung in größter Nähe.

 

Wo aber beginnen Bilder? Und wie sehen die ersten Bilder aus?

 

Die reduzierten "leeren" monochromen Bilder, die Bilder des Anfangs, zu konfrontieren mit den polychromen "gefüllten" Bildern, den Bilder der Fülle, ist seit Anfang der neunziger Jahre und verstärkt seit 2004 Thema.

 

Die Fülle der Leere im Sinne der Freiheit und die Leere der Fülle im Sinne von Sattheit changieren im Wechsel in vielfältigsten Konnotationen. Die "leeren" monochromen Bilder mit nur einer Farbberührung wirken sehr gefüllt und lassen viel Raum für den Betrachter dieser Impulskraft der einzelnen Form nachzugehen. Die "vollen" polychromen Bilder bieten dem Betrachter die Möglichkeiten der verschiedenen Farbschwingungen und -erregungen im Konzert.

 

Die zurückgenommenen Bilder der Farbhandlungen geben der Farbe tastend oder zugreifend Form und Ausdehnung, die gefüllten Bilder sind ergriffen vom Strudel der Farben. Wie weit können wir Bilder zurücknehmen?

 

Die Bilder sind zu sehen.

 

Klaus Evertz 2017